Der Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder

Grundsätzlich haben Kinder auch noch nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres einen Anspruch auf Unterhalt gegen ihre Eltern. Der Grund hierfür liegt auf der Hand, denn das gerade volljährig gewordene Kind ist in aller Regel noch wirtschaftlich von seinen Eltern abhängig und somit nicht in der Lage, für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen.  Deshalb steht Volljährigen ein gesetzlicher Anspruch auf Unterhalt gegen ihre Eltern zu, der nicht nur die allgemeinen Lebenshaltungskosten umfasst, sondern nach § 1610 Abs. 2 BGB auch die Kosten einer angemessenen Berufsausbildung einschließt. Die Höhe des Unterhaltsbedarfs volljähriger Kinder richtet sich in erster Linie, wie bei minderjährigen Kindern auch, nach der Lebensstellung und der Höhe des Einkommens ihrer Eltern. Jedoch gilt es bei der Bemessung der Höhe ihres Unterhaltsanspruchs primär zu unterscheiden, ob der/die Volljährige noch im Haushalt eines Elternteils wohnt oder aber bereits in einer eigenen Wohnung lebt.

Lebt das volljährige Kind noch im Haushalt seiner Eltern oder eines Elternteils, ist für die Bestimmung der Unterhaltshöhe Altersstufe 4 der Düsseldorfer Tabelle maßgeblich, die von den Oberlandesgerichten stets zur Unterhaltsbemessung angewandt wird. Sofern beide Elternteile über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von über 1.150,00 € verfügen, errechnet sich der Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes nach den zusammengerechneten Einkommen seiner Eltern und ist sodann der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen. Das Kindergeld von derzeit 184,00 € monatlich ist bei Volljährigen stets voll auf deren Unterhaltsbedarf anzurechnen, d.h. der Elternteil, der es bezieht, hat es an das Kind weiterzuleiten. Sofern das Kind eigenes Einkommen erzielt, z.B. eine monatliche Ausbildungsvergütung, wird diese ebenfalls auf dessen Unterhaltsbedarf angerechnet und kürzt somit seinen Unterhaltsanspruch. An dem verbleibenden Restunterhalt des Kindes haben sich beide Elternteile entsprechend der Höhe ihres Einkommens zu beteiligen, wohlgemerkt unabhängig davon, in wessen Haushalt das volljährige Kind wohnt. Allerdings hat ein Elternteil höchstens den Unterhalt zu zahlen, der sich aus seinem Eigeneinkommen aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt.

Hat das unterhaltsberechtigte volljährige Kind hingegen bereits das Elternhaus verlassen und einen eigenen Hausstand gegründet (auch das Leben in einer Wohngemeinschaft zählt hierzu), so beträgt der angemessene Unterhaltsbedarf gemäß den Leitlinien der meisten Oberlandesgerichte im Bundesgebiet (so auch im Bezirk des hiesigen OLG Frankfurt am Main) aktuell pauschal 670,00 € monatlich. Auf die Höhe des Einkommens, das beiden Elternteilen zur Verfügung steht, kommt es bei diesem pauschalierten Unterhaltsbedarf in der Regel nicht an. Soweit es die Anrechnung von Kindergeld, von etwaigen Eigeneinkommen des volljährigen Kindes und die anteilige Haftung der Eltern für den Unterhalt anbelangt, gelten ansonsten die oben beschriebenen Grundsätze entsprechend.

Gemäß der in § 1609 BGB vom Gesetzgeber festgelegten Rangfolge geht der Unterhalt volljähriger Kinder abgesehen von einer Ausnahme dem Unterhalt minderjähriger Kinder, sämtlichen Unterhaltsansprüchen von getrenntlebenden und geschiedenen Ehegatten sowie dem Betreuungsunterhalt von Müttern und Vätern nichtehelicher Kinder nach und ist damit relativ schwach ausgeprägt. Im Klartext bedeutet dies, dass der/die Volljährige leer ausgeht, wenn das vorhandene Einkommen der Eltern nicht ausreicht, da vorrangig Unterhaltspflichten gegenüber minderjährigen Kindern und (geschiedenen) Ehegatten zu erfüllen sind. Allein volljährige Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befinden und im Haushalt eines Elternteils leben, werden privilegiert und rechtlich wie minderjährige Kinder behandelt.

Die von der Rechtsprechung festgesetzten monatlichen Unterhaltssätze für Volljährige mögen zwar auf den ersten Blick lebensfremd und viel zu niedrig erscheinen. Gemessen an dem durchschnittlichen Einkommen eines Bundesbürgers und unter Berücksichtigung der vorrangigen Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder und Ehegatten dürften sie gleichwohl zutreffend bemessen sein. Allerdings wird sich beispielsweise ein Student mit eigenem Haushalt die berechtigte Frage stellen, wie er mit einem Unterhalt von 670,00 monatlich seine gesamten Lebenshaltungskosten bestreiten soll. Hierin enthalten sind nach der Rechtsprechung die Kosten für Unterkunft und Heizung von bis zu 280,00 €. Bereits ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft in einer Studentenstadt wie Darmstadt wird für diesen Preis kaum zu haben sein. Folgerichtig können Auszubildende oder Studenten entweder nur auf eine nachhaltigere finanzielle Unterstützung ihrer vorzugsweise wohlhabenden Eltern hoffen, oder ihnen wird nichts anderes übrig bleiben, als neben ihrer Ausbildung auf Kosten ihrer Freizeit noch einer Aushilfstätigkeit nachzugehen

Andreas Mertens,
Rechtsanwalt, Darmstadt